Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

    Kurzgeschichten: Autor Kurt Meran von Meranien

Nachrichten, sonstige Texte:

Georg Schlitte

Fördermitglied Reporter ohne Grenzen

Fördermitglied PEN-Deutschland

Guten Tag

leipzig grassi-mak stadtansichen kinderschutz kurzgeschichten1 Kurzgeschichten 2 Kurzgesch.3 Kurzgesch.4 Kurzgesch.5 Kurzgesch.6 Kurzgesch.7  Kurzgesch.8  Kurzgesch.9 Kurzgesch.10 Kurzgesch.11 Kurzgesch.12 Dagobert 1 Dagobert 2 Grassi SKD PEN-Nachrichten 

ROG  L-Schönefeld erzählt  VKM Herrnhut 

Impressum Datenschutz

***

Kurzgeschichten 3

Bildergalerie

Kaffeestunde
Verwirrt drehte ich die Einladungskarte hin und her. Eine Familie Müller hatte mich für Samstag zum Kaffee eingeladen. Styv Müller und Gattin. Wer war das? Ich kannte Dutzende Müllers. Aber einen Styv Müller nicht. Allerdings kam mir die Anschrift bekannt vor. Ich sah im Internet bei Google nach. Fand nichts. Bei KlickTel.de und im Telefonbuch auch nichts. Schließlich wählte ich die angegebene Rufnummer für Rückfragen. Nach dem vierten Rufton meldete sich eine männliche Stimme: „Müller!“ „Guten Tag, mein Name ist Meran, ich möchte Styv Müller sprechen!“ „Unsre Alten sind noch nicht zuhause!“ Aufgelegt. Prima dachte ich. Samstag zum Kaffee! Woher sollte ich wissen, wann Müllers Styv Kaffee trank? Und wer Styv war, wusste ich immer noch nicht. Der Adresse nach wohnte er am südöstlichen Rande der Stadt in einer Kleinsiedlung. Eigentlich hatte ich keine Zeit, um herauszufinden, wer das war. Aber ich war neugierig geworden. Und da war noch etwas. Ich schwärmte für Siedlungen und Siedlungshäuser. Man trat aus der Tür und war im Garten. Bekannte in einer Siedlung südwestlich der Stadt hatten ein Siedlungshaus gehabt. Ich war dort als Kind und Jugendlicher oft hingefahren und fand es toll. Raus aus dem Haus und im Garten. Später wohnte ich mit meiner Frau in einem kleinen Haus nordwestlich der Stadt. Verkehrsgünstig gelegen und trotzdem sehr ruhig. Wenn ich aus der Haustür trat, war ich in einem kleinen Hof, der in den Garten überging. Meine Frau und ich hatten uns dort sehr wohl gefühlt. Als sie starb, zog ich weit weg, um zu vergessen und dann neu anzufangen. Die neue Ehe war nicht besonders glücklich. Meine Frau entpuppte sich als ewig meckerndes Wesen. Arbeitsmäßig hatte ich mich sehr verbessert und machte eine ungeahnte Karriere. Wohl auch deshalb, weil ich mehr auf Arbeit war, als zuhause, um dem Meckern zu entgehen. Die dadurch entstandene Disproportion machte mir zu schaffen. Auf Arbeit der King, zuhause ein Wicht!
Durch meine Arbeit lernte ich eine andere Frau kennen und ich trennte mich von der vorherigen. Es ging nicht lange gut und ich merkte auch warum. Ich war eigentlich mit meiner Arbeit verheiratet und nicht mit der Frau! Und wiederum Trennung und neue Frau und eine andere Stadt. Das neue Verhältnis dauerte auch nicht lange. Sie war so dominant, dass ich nach einem dreiviertel Jahr die Flucht ergriff. Ich landete wieder in meiner Heimatstadt. Eine Veränderung der Lebensumstände zwang mich, mich arbeitsmäßig zu verändern. Und wieder lernte ich eine nette Frau kennen. Aber! Wie geht man(n) mit einer Frau um, die sagt: „Ich mag Sie“, aber gegen eine Vereinigung ist? Ich zog mich zurück. Auch von der Arbeit, in der sie der King war.
Seitdem lebe ich allein.
Ich würde gern wieder außerhalb der Großstadt wohnen, aber wie anstellen? Und nun die Einladung. Was hatte das auf sich?

Sonnabend fünfzehn Uhr.
Eine erneute Anfrage hatte die Kaffee-Zeit ergeben. Ich hatte am Donnerstag einen Kurzwarenladen besucht, nachdem ich von meinem Anzug einen, den vereinsamten Knopf abgeschnitten hatte. Ähnliche Knöpfe hatte ich nicht gefunden. Also kaufte ich Neue. Obwohl ich sonst fast wie ein Trapper gekleidet war und im Kiez „Indiana Jones“ genannt wurde, hatte ich mich in den Anzug gezwängt. Ist man eingeladen, bringt man ein Gastgeschenk mit. Was sollte ich mitbringen? Wer in einem Siedlungshaus wohnt, hat einen Garten und braucht deshalb eigentlich keine mitgebrachten Blumen. Ich kaufte ein Alpenveilchen und eine mittlere Flasche weichen Whisky. Falls ich nicht den Geschmack der Gastgeber traf, hatten sie Pech gehabt.
Klingelingeling. Das Haus gefiel mir nicht! Protzige Einfahrt. Vertrockneter Vorgarten. Jede Menge Autos. Daimler und BMW. Auf der kleinen geschwungenen Freitreppe erschien ein livrierter Mann. „Sie wünschen?“ „Mein Name ist Meran. Ich wurde zum Kaffee eingeladen!“ Merkwürdig dachte ich. Wieso sprach ich jetzt so geschraubt? Der Bedienstete oder was er war, sah mich ernst an, musterte mich streng von der Frisur bis zu den Schuhen und sagte dann: „Wenn der Herr mir bitte die Einladungskarte zur Legitimation überreichen würde?“ Aha. Ich war also ein Herr. Hätte ich nach dem Blick nicht gedacht. Ich reichte ihm die Karte und die Gastgeschenke, um meine Hände freizuhaben: „Wenn Sie die Liebenswürdigkeit haben würden, den Gastgebern meine Gastgeschenke zu überreichen, wäre ich ihnen sehr verbunden!“ Verdammt. Ich sprach ja schon wieder so geschraubt. Der Kerl hatte jetzt ein Problem. Er sah mich konsterniert an. Wie sollte er gleichzeitig die Karte vornehm halten und die Geschenke transportieren? Vor meinen Augen verwandelte sich der vornehme Bedienstete in einen Tollpatsch. Neben ihm war ein Fenster mit schrägem, steinernem Fensterbrett. Dort etwas abzustellen war sinnlos. Er versuchte es. Die in Krepppapier eingepackten Alpenveilchen blieben stehen. Die Flasche nicht. Sie zerschellte auf den Steinen der Treppe. Der Mann stöhnte laut auf. Von irgendwo huschte eine gefleckte Katze herbei. Roch an dem auslaufenden Whisky, schleckte kurz, jaulte auf und verschwand. Der Diener verschwand auch mit der Karte in der Hand und ließ mich stehen. Aus dem Nichts tauchten die Katze, zwei mittelgroße Hunde und eine weitere Katze auf. Vorsichtig schlapperten sie den Whisky auf. Das war ja interessant! Ich hatte noch nie erlebt, dass Katzen oder Hunde Whisky soffen. Musste hier wohl eine Säuferfamilie wohnen!
Ich wurde von hinten angesprochen und drehte mich erstaunt um. Ein vielleicht achtjähriger Junge stand hinter mir und fragte mit wichtiger Miene: „Was machst du hier?“ „Ich warte darauf, dass man mich endlich hereinbittet.“ „Hast du etwas mitgebracht?“ „Dir leider nicht. Für die Dame des Hauses ein Alpenveilchen und für den Herrn eine Flasche Whisky. Den Whisky saufen gerade die Tiere.“ Er wollte sich totlachen und sagte dann einfach: „Komm mit.“ Damit führte er mich über den Hof, an einem gartenähnlichen Gelände vorbei auf eine Terrasse. Hier saßen ungefähr zwanzig Leute an Gartentischen. An einem der Tische stehen bleibend sagte er laut: „Der Mann stand vor der Treppe und sah zu, wie Donald und die anderen Whisky tranken!“ Es wurde still und alle sahen uns an. Ein älterer Mann fragte: „Wer sind Sie und was wollen Sie?“ Ich konnte mir es nicht verkneifen leicht ironisch zu sagen: „Mein Name ist Meran. Was ich hier will, weiß ich nicht. Ich habe eine schriftliche Einladung zum Kaffeetrinken um Fünfzehnuhr erhalten. War pünktlich da. Aber der Bedienstete oder was er ist, hat mich nicht hereingelassen. Meine Gastgeschenke habe ich ihm übergeben. Guten Tag!“ Damit drehte ich mich herum und ging. Unangefochten kam ich bis zum Tor. Dort holte mich der Junge ein und sagte: „Warum hast du mir nichts mitgebracht gehabt?“ „Niemand hat mir gesagt, dass es hier so einen netten Jungen wie dich gibt. Also konnte ich dir auch nichts mitbringen.“ „Willst du mit mir spielen?“ Mann oh Mann.
In so einer blöden Situation war ich noch nie gewesen. Als mich der Opa, ich nahm an, dass es der Opa gewesen war, der mich auf der Terrasse angesprochen hatte, fragte, was ich wollte, hätte er doch aufstehen müssen. Wieso hatte mich der Diener nicht angemeldet? Was war das hier für eine putzige Gesellschaft? Etwas unschlüssig sah ich den Jungen an. Überwand mich und meinte: „Falls deine Familie nichts dagegen hat, spiele ich gern mit Dir. Allerdings, im Anzug?“ „Den kannst du doch ausziehen.“ Na prima. Ansichten sind das hier. „Los geht’ s. Wie heißt du eigentlich?“ „Samos.“ „Du meinst vielleicht Samson. Samos ist ein Wein, aber kein Männername.“ „Ich bin doch kein Mann.“ Streiten hat in so einem Fall keinen Zweck. Also fragte ich: „Wo spielen wir?“ „Bei mir.“ Nun war ich genauso schlau wie vorher. „Und wo ist das?“ „Ich sagte doch, bei mir.“ Ich wollte gerade grob werden, als eine weibliche Stimme fragte: „Was tun Sie hier?“ Die Stimme kam mir bekannt vor. Ich drehte mich langsam, sehr langsam um. Hinter mir stand SIE! Die Frau, die vor Jahren zu mir gesagt hatte: „Ich mag Sie!“ Sie starrte mich genauso an, wie ich sie. Dieselbe tolle Figur wie früher. Aber. Sie war erblondet! Das war nicht mehr die Frau, die mein Idol gewesen war. Früher hatte sie braune Haare mit einem rötlichen Schimmer gehabt. Wenn die Sonnenstrahlen ihre Haare leuchten ließen, sahen diese wie flüssiges Kupfer aus. Ihr Gesicht hatte auch nicht mehr den weichen fraulichen Ausdruck. Ihr Blick war hart und fordernd. Das Gesicht war herb, damenhaft, geschäftsmäßig kalt. In mir brach etwas zusammen. Ich konnte ohne jede Mühe, kaltlächelnd sagen: „Hallo Dorothea, schön dich wieder einmal zu sehen. Du siehst richtig toll aus!“ So leicht war mir ein Kompliment noch nie über meine Lippen gekommen. Und ich war dafür bekannt, dass ich gern Komplimente machte. Manche meiner Bekannten nannten mich sogar „Schleimer!“ Samos sagte: „Mutti, der Mann will mit mir spielen. Dazu will er sich auch ausziehen!“ Sie lächelte: „Wirklich?“ Ich schüttelte den Kopf, ehe Samos etwas sagen konnte: „Habe ich nicht gesagt. Samos meinte das. Ich würde gern mit ihm spielen. Nur leider bin ich unpassend angezogen.“ „Samos ist doch kein kleiner Junge mehr, der im Sandkasten spielt. Du kannst mit ihm spielen, aber nicht jetzt. Du wurdest doch zum Kaffee eingeladen.“ Ich sah zur Uhr. Inzwischen war es weit nach vier. „Bisschen spät zum Kaffeetrinken. Außerdem trinke ich seit vielen Jahren keinen Kaffee mehr.“ Tja was jetzt? Wir standen am Tor und wussten nicht weiter. Ich wollte gehen. Samos wollte spielen und Dorothea wollte Kaffeetrinken. Unbemerkt von uns war der Diener auf der Freitreppe nach unten gekommen und sagte über die Einfahrt hinweg: „Der gnädige Herr lässt Herrn Meran bitten, sich zu einem Gespräch zu ihm zu begeben!“ Verrückt! Ich sagte, leicht aufgebracht: „Da der gnädige Herr Meran keinen Kaffee bekommen hat, geht er jetzt zum Brauhaus ‚Fürst Schwarzenberg‘ und trinkt dort einen Tee. Es ist gleich Teetime!“ Dorothea sagte bestimmt: „Kommt nicht infrage. Du bist eingeladen und trinkst deshalb den Tee bei uns!“ Ich war wieder neugierig. Wollte wissen, wie die Farce weiterging und zuckte mit den Schultern. „Von mir aus!“ Wir gingen auf die Terrasse, wo die Leute immer noch saßen und quatschend Kaffee tranken. Die hatten aber ein Sitzfleisch. Toll. Dorothea stellte mich vor: „Freiherr Meran von Meranien, Prinz of Merania. Der Herr schreibt Kurzgeschichten. Seid vorsichtig. Er schreibt über alles, was er hört, sieht und erlebt!“ Wo hatte die denn das her? Die Gesellschaft, die mich vorhin keines Blickes gewürdigt hatte, erstarrte. Der Opa von Samos, falls es wirklich der Opa war, schnellte auf. Machte einen richtigen Diener. Man verbeugt sich nicht aus dem Stand und sagte zeremoniell: „Mein lieber, verehrter Herr Freiherr,“ legte eine kleine Pause ein und fuhr zögernd fort, „oder werden Sie mit Hoheit angesprochen?“, ich möchte Sie ganz herzlich willkommen heißen!“ Na warte, dachte ich. Dir werde ich es geben. „Sehr geehrter Herr Müller, ich freue mich darüber, dass ich die unverdiente Ehre geniese, auf ihrem Wohnsitz empfangen zu werden. Wie mich Frau Dorothea bereits vorstellte, bin ich Freiherr. Ein Freiherr wird seit dem siebzehnten Jahrhundert in Deutschland mit Baron angesprochen. Zuvor war ein Freiherr mit dem Grafen auf einer Stufe, also ein Mitglied des mittleren Adels. Seit dem siebzehnten Jahrhundert gehört der Freiherr zum niederen Adel, aber noch vor dem Baron. Hoheit werde ich nur in Meranien tituliert. Meine Ahnen waren im zwölften Jahrhundert die Herrscher von Meranien, als die Herzöge im Mannesstamm ausgestorben waren. Aber nennen Sie mich einfach ‚Herr Meran‘. Das genügt vollkommen!“ Ich sah ihm an, dass er meinen Ausführungen nicht ganz folgen konnte. Da er nichts sagte, fragte ich gelassen: „Sie sind doch der Herr Müller, der mich zum Kaffee eingeladen hatte – oder?“ Wie erwachend sah er mich an und sagte irgendwie gereizt: „Styv Müller, bitte nehmen sie platz!“ Ich ergänzte: „Herr Meran.“ „Wie bitte?“ „Eine Ehre ist der anderen Wert, deshalb hätte es heißen müssen, bitte nehmen sie Platz Herr Meran!“ Er war nun knallrot im Gesicht und fiel mehr auf seinen Stuhl, als das er sich setzte. Der Bedienstete in seiner Livree tauchte auf und fragte leicht vorgebeugt, wie in einer halben Verbeugung verharrend: „Was wollen Sie trinken?“ Ich dachte, noch einen kleinen Stups, dann schmeißen die mich bestimmt raus. Aber ich wollte es drauf ankommen lassen. Deshalb sagte ich mahnend: „Ich bitte Sie. So fragt man doch nicht. Das heißt, ‚bitte mein Herr was darf ich ihnen anbieten‘, Kaffee oder Tee?“ Alle waren wie erstarrt. Keiner rührte sich. Der Diener sagte nichts. Die anderen Leute auch nicht. Was kam jetzt? Samos setzte noch eins drauf. Laut lachend meinte er: „Da hast Du es den vornehmtuhenden Schnöseln aber gegeben. Mein Vati ärgert sich auch immer über das Gehabe. Manchmal nennt er Opa ‚Herrn Müller von der Mühle‘. Opa hat gar keine Mühle und auch kein Haus. Das gehört nämlich uns!“ Aua. Hoffentlich komme ich hier lebend raus. Frau Müller rettete: „Mein Mann ist manchmal ein wenig hochtrabend. Er meint es aber nicht ernst. Er ärgert sich auch. Aber über unsere Gäste. Sie haben alle irgendwelche Titel, und geben an wie Graf Koks. Dass er sie nur aufzieht, wenn er so spricht, merken die gar nicht!“ So. Noch ein bisschen Senf von mir. „Frau Müller. Sie sprechen mir aus dem Herzen. Ich mag es auch nicht, wenn die Leute ihren Titel wie auf einem Tablett vor sich hertragen. Die Beamten und Akademiker denken, sie sind etwas Besonderes. Ein Studienrat sagte einmal zu mir, er währe kein Lehrer, er wäre Studienrat. Angeberischer geht es wohl gar nicht!“ Ich hatte sehr laut gesprochen. Die Gäste flüchteten. Herr Müller verabschiedete sie und kam danach wieder zum Tisch. Nachdem er sich gesetzt hatte, sagte er in ganz normalem Ton: „Herr Meran, Dorothea hat uns erzählt und Sie haben es ja gerade bestätigt, dass sie Geschichten schreiben. Würden Sie denn einmal eine Lesung organisieren?“ „Kein Problem. Allerdings müssten wir das Drumherum besprechen. Sie wollen doch bestimmt nicht, dass ich nur ihnen vorlesen soll?“
Wir unterhielten uns jetzt nett. Herr Müller fragte mich, woher ich seine Tochter kennen würde. Ich erzählte. Herr Müller wollte wissen, wie sie mir gefalle und ob ich ihren Mann kennen würde. Das war wieder eine Zwickmühle. Was sollte ich da sagen? Dorothea tadelte ihren Vater. Der ließ aber nicht locker. Ich wich auf Dorotheas Gatten aus. „Den Gatten von Dorothea kenne ich nicht. Habe ihn nie gesehen. Er soll sich einmal über mich aufgeregt haben. Keine Ahnung warum.“ Er sah sie an. Sie zuckte mit den Schultern und meinte: „Kann mich nicht erinnern. Schon lange her. Falls es überhaupt stimmt.“ „Warum sollte Herr Meran schwindeln?“ Ich lenkte ab. Warum war der Alte so hartnäckig? Plötzlich fragte er: „Herr Meran, warum müssen wir eigentlich ‚Sie‘ sagen? Da Sie Dora kennen, könnten wir uns doch duzen?“ Was wollte der Mann eigentlich. Langsam ging er mir auf den Keks. Also drauf, damit der Blödsinn aufhörte. Aus den Gesprächen und den Bemerkungen seiner Gattin hatte ich entnommen, dass er etwas jünger, als ich war. Also los. Mal sehen, wie er reagieren würde. „Herr Müller, eigentlich habe ich nichts dagegen mich mit Ihnen zu Duzen. Aber das ‚Du‘ bietet ja immer der Ältere dem Jüngeren an. Ich weiß ja nicht, wie jung Sie sind, ich bin bestimmt älter als Sie.“ Alle drei sahen mich verblüfft an. Dorothea sagte mit leicht bebender Stimme leise: „Kurt ist zweiundsiebzig.“ Müllers waren baff! Frau Müller sagte: „Aber Kind, warum lügst Du?“ Er schüttelte den Kopf und meinte: „Glaub ich nicht. Er ist doch höchstens Mitte fünfzig.“ Ich zeigte beiden meinen Personalausweis. Sie lasen und sahen mich dann an, ohne ein Wort zu sagen. Frau Müller nahm mir meinen Ausweis aus der Hand, ehe ich ihn wieder wegstecken konnte, und las laut: „Kurt Meran von Meranien.“ Ehrfürchtig murmelte sie: „Wirklich. Hätte ich nicht gedacht. Ich habe geglaubt, das Kind schwindelt. Und tatsächlich über siebzig. Wo liegt denn Meranien?“ „An der Adria.“ Müller interessierte etwas anderes: „Haben Sie auch ein Schloss?“ „Natürlich. Mehrere. Da residieren meine Neffen und andere Verwandte. Ich wohne in einer kleinen Mietwohnung. Sozusagen verarmter Adel. Deshalb nenne ich mich auch nur Meran. Vorne nichts und hinten nichts, einfach Meran.“
Müllers waren sichtlich enttäuscht. Aber auch beruhigt. Sie brauchten sich vor mir nicht beugen. Vom ‚Duzen‘ war keine Rede mehr. Und ich habe nie erfahren, wieso ich eingeladen worden war.

Kurt Meran von Meranien 25.06.2012
 
***

Wochenmitteausflug

Um dem lauten und geschäftigen Großstadtleben während dem nun legendären Corona-Zeitalter zu entfliehen und sich ein wenig abzulenken, kam ich auf die Idee, ein idyllisches Fleckchen aufzusuchen.
Meine Wahl fiel, nach intensivieren Kartenstudium auf Bad Kösen. Natürlich fuhr ich mit dem Zug. Ich wollte erst einmal das geschäftige Treiben eines Großstadtbahnhofs genießen, um mich nach der geruhsamen Bahnfahrt, am Treiben einer weltweitbekanntenn Kurstadt zu erfreuen und meine Nerven zu stärken!

Auf dem Großstadtbahnhof war kaum etwas los. Der Zug rollte lautlos ein und das Zugpersonal agierte ebenfalls lautfrei. Ich provozierte und bekam einen fast lautlosen Hinweis.

In der Kurstadt herrschte Totenstille. Am Flussufer, direkt am Kurpark, war es ebenso still. Das Flussschiff schwamm fast lautlos. Nur die Schiffbesatzungg war zu hören, bis diese ungesunde Stille von einem lauten Fahrgast unterbrochen wurde. Daraufhin , wurde diese erholsame, wenn auch anstrengende Lautlosigkeit beendet. Beendet durch einen Passagier, der einen Matrosen etwas fragte. Dieser stritt sich dann mit dem Fahrgast.

Als wieder Ruhe eintrat, hatten wir ein Erfolgserlebnis: Wir sahen Eisvögel! Bis jetzt kannte ich einen Eisvogel nur, als erfolgreiche Künstlerin.

Nach einem fulminanten Essen, welches ich in einer Burggaststätte auf einer Höhenburg zusammen mit einer nicht sehr zurückhaltenden Dame eingenommen hatte, wandere ich mit ihr durch einen dichten Wald und nach zwei nicht zu langen, aber dafür etwas versteckt im Wald, eingeschobenen Pausen, gelangte ich wieder, unterbrochen von einer Bahnfahrt, ins Corona-Zeitalter.

Wenn man(n) etwas erleben will, muss man(n) etwas tun!

Kurt Meran von Meranien
03.09.2020

***

Maja
Achim ging nach einem Besuch bei Bekannten nach Hause. Er war sehr bedrückt. Seine Bekannten hatten ihm mit Nichtigkeiten zugesetzt. Er war verletzt und fühlte sich missverstanden. Achim war so in Gedanken versunken, dass er fast über ein kleines Kind, das plötzlich vor ihm stand gefallen wäre. „Was machst du hier?“, fragte er erstaunt „Ich warte auf meinen Vati, aber er kommt nicht“. Der Stimme nach, war das ein Mädchen. Er nahm die Kleine bei der Hand und zog sie ins Laternenlicht. „ Wieso wartest du im Dunklen auf deinen Vati?“ „Mutti hat gesagt, warte hier, ich komme gleich wieder“, sagte die Kleine weinerlich. Achim fand das seltsam. Abends um neun im Dunklen lässt eine Mutter doch ihr Kind nicht allein.
„Wie heißt du denn?“, fragte er. „Maja“. Maja heißt doch die Biene, erinnerte er sich, das ist doch kein Mädchenname. „Und weiter?“ Sie sah ihn fragend an. „Wie heißt denn deine Mutti?“ „Mutti“. Mm. „Und dein Vati?“ „Vati“. „Hast du Geschwister?“ „Ja, aber die sind schon groß“. „Wie groß, ich meine wie alt bist du denn?“ „Vier.“ Verdammt, dachte er, hier kommt niemand. Was fange ich mit einem vierjährigen Mädchen an? Schließlich, während die Kleine immer weiter plapperte, rief er die Polizei an. Umständlichen Fragen gab er gereizt ironische Antworten. Der Beamte am Telefon sagte: „Bleiben sie, wo sie sind, die Mutter kommt bestimmt bald.“ Achim fragte den Beamten, ob er in seinem Büro Fenster habe. Stille. Dann sagte der Mann: „Natürlich, warum?“ „Na, dann gucken sie doch einmal hinaus und sagen mir, was sie sehen.“ „Nichts, es ist doch dunkel.“ „Na eben, es ist dunkel, “ schäumte Achim. „Und ich stehe hier im Dunkeln mit einem kleinen Mädchen, das ich in dieser Dunkelheit fast umgestoßen hätte. Wir stehen nun schon fast eine Stunde hier. Es kommt keine Mutter und auch kein Vater, und ich muss unmögliche Fragen beantworten.“ Damit beendete Achim das Gespräch. Die Kleine sagte plötzlich: „Ich habe Hunger“. In seine Wohnung wollte Achim nicht gehen. Wer weiß, was die Polizei dann glaubte. Er rief noch mal dort an, und sagte: „Hier ist noch niemand aufgetaucht. Wir gehen jetzt zu Stottmeister. Es fängt an zu regnen und Maja hat Hunger.“ Maja ergriff zutraulich seine Hand, als er sagte: „ Komm bitte mit. Da drüben können wir zu Abend essen. Aber lass mich nicht los, damit du mir nicht verloren gehst.“ Bei Stottmeister war mäßiger Betrieb. Die Kellnerin nahm die Bestellung auf. Achim erzählte ihr, wieso er in Begleitung eines kleinen Mädchens war. Sie aßen und tranken, ohne dass Polizei auftauchte. Da er nicht wusste, was er mit einem kleinen Kind abends anfangen sollte, begann er ihr Geschichten zu erzählen. Geschichten, die er gerade beim Erzählen erfand. So, wie er es immer machte, wenn er allein war. Und eigentlich war er ja immer allein. Maja hörte gespannt zu. Er ließ das ganze Märchenreich auferstehen, und integrierte es in die moderne Welt. Märchengestalten flogen zum Mond, Astronauten verliefen sich im Wald und fragten die Hexe nach dem Weg. In den Geschichten, die er erzählte, war alles möglich. Die Zeit verging. Achim musste einmal hinaus, unterbrach die Geschichte und stand auf. Ungläubig sah er sich um. Am Nebentisch saßen zwei Polizistinnen. Herr Stottmeister lehnte an der Biertheke. Die zwei Biertrinker dort, die noch laut erzählt hatten, als Achim und Maja aßen, waren mucksmäuschenstill. Am nächsten Tisch saß ein Ehepaar mit zwei größeren Kindern. Er sagte erstaunt: „Nanu, die Polizei ist ja da. Warum sind Sie denn nicht an unseren Tisch gekommen?“ Eine der Polizistinnen sagte: „Wir wollten sie nicht stören. Solche Geschichten haben wir noch nicht gehört. Wer hat die geschrieben?“ Achim grinste. „Ich komme gleich wieder.“ Maja wollte nicht allein bleiben und stand auch auf. „Ich gehe auf die Toilette, da kannst du nicht mit“, und zu Herrn Stottmeister gewendet: „Passen sie mal auf die Kleine auf?“ Der nickte. Als Achim wieder kam, saßen alle noch friedlich da und warteten. Ein Junge fragte: „Geht’s weiter?“ Er sah auf die Uhr. Ungläubig starrte er auf das Zifferblatt. „Es ist ja schon eins! Maja muss ins Bett.“ Maja sagte: „Ich bin noch nicht müde. Wir gehen zu dir, und du erzählst weiter.“ „Prima“, sagte Achim, „erstens geht das nicht, weil wir immer noch nicht wissen, was mit deinen Eltern ist, und dann bin ich weder auf Besuch noch auf Kleinkinder eingerichtet.“ Die Polizistinnen beratschlagten und telefonierten. Dann sagte die eine: „Wir bringen Maja jetzt ins Kinderkrankenhaus. Sie kommen morgen aufs Revier, damit ein Protokoll aufgenommen werden kann.“ Maja protestierte. „Ohne Onkel Achim komme ich nicht mit.“ Er lenkte ab. „Du wirst in einem weißen Bett schlafen, und dich ganz toll wohl fühlen.“ „Nein, ich bleibe bei dir.“ Er schüttelte den Kopf. „Maja. Maja das geht nicht. Ich kann dich nicht mitnehmen. Du musst ins Bett und ich habe nur eins.“ „Da schlafe ich eben bei dir im Bett.“
Er wurde ungeduldig. „Maja, ich habe nur ein schmales Bett. Da kann man nicht zu zweit drin schlafen.“ „Bist du denn allein?“ „Ja, Maja.“ „Da musst du aber traurig sein.“ „Warum soll ich traurig sein?“ „Weil du so allein bist.“ Er wurde langsam wütend. Es wurde immer später. Er wollte ins Bett. Und die beiden Polizeibeamtinnen taten gar nichts. Alle anderen waren inzwischen gegangen. Herr Stottmeister und seine Kellnerin machten überall das Licht aus. Achim sagte zu den Beamtinnen: „Wären Sie bitte so freundlich, etwas zu unternehmen? Ich will ins Bett. Oder sie übernehmen das Kind, und ich gehe schlafen.“ Und zu Stottmeister: „Würden Sie mir bitte was zu trinken geben, ich habe einen ganz trockenen Mund.“ Die ältere der Polizistinnen fragte: „Haben sie wirklich keine Frau?“ „Nein, verflixt und zugenäht. Was soll die Fragerei?“ Maja fing an zu heulen. „Warum ärgert ihr meinen Onkel?“, schluchzte sie. Alle sahen sich wie auf Kommando um. „Wer ist denn dein Onkel“? fragte Herr Stottmeister. Maja zeigte auf Achim. Die Polizistinnen fingen an zu schimpfen. „Ruft der Kerl bei uns an und sagt, er hätte ein Kind gefunden, in Wirklichkeit ist sie seine Nichte!“ Achim fiel das Kinn auf die Brust. Vollkommen verblüfft starrte er Maja an. „Maja, was soll der Unsinn? Wir haben uns erst heute Abend kennen gelernt. Ich habe dich noch nie gesehen.“ Maja, sagte unbeirrt: „Du bist mein Onkel.“ Und zu den Polizistinnen: „Er denkt sich immer so tolle Geschichten aus.“ Die Polizeibeamtinnen wollten jetzt seine Wohnung sehen. „Wir kommen jetzt mit zu ihnen.“ Da streiten keinen Sinn hatte, welcher Mann kann sich gegen drei Weiblichkeiten durchsetzen, ging Achim mit Maja an der Hand los. Als alle sein Wohnzimmer betraten, pfiffen die Polizistinnen verblüfft. Er wunderte sich darüber, sagte aber kein Wort. Die Ältere schaute in alle Ecken und meinte dann verwundert: „Und hier wohnen sie?“ Er nickte. „Hier wohne ich.“ „Hier ist es ja für zwei Personen viel zu klein.“ „Na, ich bin ja auch allein.“ „Und wo wohnt Maja?“ Achim wollte gerade sagen, woher soll ich das wissen, als es an der Haustür klingelte. Er meldete sich über die Sprechanlage. „Polizei, öffnen sie bitte!“ Die Treppe herauf kamen zwei Polizisten und eine nicht mehr ganz junge, verweinte Frau. Als sie Maja sah, stürzte sie auf das Kind zu und umarmte es heftig. „Kind, was machst du nur für Sachen? Wo bist du gewesen?“ schluchzte sie. Die vier Grünen debattierten leise. Dann sagte einer von ihnen: „Die Sachlage klären wir morgen. Sie sind um acht auf dem Revier Nordost.“ Achim schüttelte den Kopf. „Das werde ich mit Ihrer gütigen Erlaubnis nicht tun. Wenn Sie so liebenswürdig sind, dann sehen Sie bitte einmal auf die Uhr. Es ist fast vier Uhr! Ich denke, wir verabschieden uns jetzt. Ich gehe ins Bett und komme Morgen, sobald ich ausgeschlafen habe, auf das Revier. Würden Sie bitte so freundlich sein und meine Wohnung jetzt verlassen?“ Nach einem kurzen Zögern verließen alle Achims Wohnung.
Am frühen Nachmittag erschien er, er hatte vorher angerufen, auf dem Revier. Maja war mit ihrer Mutter auch da. Als Achim ins Zimmer trat, flog Maja auf ihn zu. Sie sprang ihn an und umarmte ihn stürmisch. An seinem Hals hängend weinte und lachte sie glücklich. Die Mutter erzählte, wieso Maja verschwunden war.
Ihr Mann war vor einiger Zeit gestorben. Maja und ihr Vater hatten sich heiß und innig geliebt. Maja glaubte nicht, dass er niemals wiederkommen würde, und suchte ihn ständig. Sie wusste, wo er gearbeitet hatte und pendelte auf dem Arbeitsweg hin und her. „Vati geht hier immer lang, ich treffe ihn bestimmt.“ Dann ergänzte sie, dass Maja den ganzen Tag von Onkel Achim geschwärmt hätte. Maja, jetzt auf seinem Schoß sitzend, machte den Vorschlag, da er ja allein sei, könne er doch zu ihnen ziehen. Platz sei genug da und sie brauchten nicht in der Gaststätte sitzen, wenn sie Geschichten hören wollten. Achim fluchte innerlich. Da hatte er sich ja etwas Schönes eingebrockt! Seine Gedanken wurden abrupt unterbrochen. Die Mutter lud ihn zum Kaffeetrinken ein. Achim zuckte mit den Schultern. „Geht nicht. Ich trinke keinen Kaffee, esse keinen Kuchen und habe keine Zeit.“ Maja mischte sich ein: „Du kommst jetzt mit!“ Resigniert zuckelte Achim mit.
Majas Familie bewohnte ein Einfamilienhaus. Man sah auf den ersten Blick, dass sich niemand um den Vorgarten gekümmert hatte. Nach dem Kaffeetrinken schnappte Achim sich ein paar Werkzeuge, stellte Mutter und Tochter zur Arbeit an und brachte den Vorgarten einigermaßen in Ordnung. Danach wurde er zum Abendbrot eingeladen. Zusammen mit der Frau brachte er später Maja ins Bett. Natürlich ging es nicht ohne Geschichte ab. Als die beiden Erwachsenen das Kinderzimmer verlassen wollten, rief Maja sie zurück. Erst flüsterte sie ihrer Mutter etwas ins Ohr und als diese sie verblüfft ansah, sagte sie laut: „Weißt du, Onkel Achim, du wärst bestimmt ein guter Vati. Warum bleibst du nicht da? Du kannst ja Mutti heiraten. Und wenn Vati nach Hause kommt, freut er sich bestimmt, dass Mutti nicht so allein ist.“ Und dann flüsterte sie ihm halblaut zu: „Mutti weint nachts immer.“

Kurt Meran von Meranien 25.12.2007

***

Klingelingeling
Es kommt der … Nein, nicht der Eiermann wie es in einem  Schlager einmal hieß.
Ich sitze in der Küche und frühstücke, als es an der Wohnungstür klingelte. Lege die Schnitte weg. Wische mir den Mund ab, stehe auf und schlängele mich zur Wohnungstür. Kein Mensch da. Gehe weiter Frühstücken. Bin gerade fertig, als es wieder klingelt.
Diesmal an der Haustür. Wer könnte da geklingelt haben? Da ich so gut wie nie Besuch bekomme, kann es nur der Postbote sein.
Auf dem Signalfeld der Wechselsprecheinrichtung brennt kein Licht. Ich öffne meine Tür und lausche. Nichts. Schließe die Tür und gehe wieder in die Küche.
Klingelingeling an der Wohnungstür. Ich sprinte zur Tür und reiße sie auf. Niemand da! Verdammt und zugenäht! Wer veralbert mich hier?
Ich räume ab und beginne aufzuwaschen. Klingelingending an der Wohnungstür. Altes Lied - keiner da und auch keine Schritte im Haus. Laut mache ich meinem Ärger Luft: "Welcher Idiot klingelt hier dauernd?" Nichts rührt sich!
Das Vorstehende wiederholt sich mehrmals, ohne dass ich den Verursacher  feststellen konnte.

Von den Mitarbeitern der DHL ist ja bekannt, dass sie nur etwa 10 Sekunden an der Haustür warten, bis sie beim Nachbarn klingeln oder wieder gehen. Die Hermesleute handeln ebenso. Allerdings sagen sie, wenn ich mich melde, nicht wie die DHL: Post ein Paket für sie, sondern: "Aufmachen - Hermes!"
Es ist auch schon vorgekommen, dass ich gemerkt habe, wer da geläutet hatte und an der offenen Tür meinen Namen rief. Als der DHL-Mensch an mir vorbeiging wiederholte ich meinen Namen. Er knurrte:"In der vierten Etage wird die Sendung angenommen. Gehen sie mir aus dem Weg!" Ich wartete bis er wieder herunterkam und fragte nach. Seine Antwort: "Wenn sich der Empfänger nicht meldet, klingle ich woanders." "Glauben Sie etwa ich stehe an der Tür und warte darauf, dass jemand klingelt?" "Die Wohnungen hier sind nicht so groß, da können sie in Sekunden an der Tür sein." "Ach so. Ich darf nichts anderes machen, als auf das Klingeln zu warten!" Das "Sie Idiot" verkniff ich mir. Ich stieg von der ersten in die vierte Etage und klingelte. "Herr Mayer entschuldigen Sie bitte die Störung. Die DHL hat gerade ein Paket für mich bei Ihnen abgegeben". Herr Mayer sieht mich an und sagt:"Woher wissen Sie das?" Ich erkläre es. Mayer sagt: "Ohne die amtliche Mitteilung kann ich die Sendung, für die ich unterschrieben habe nicht ausliefern!" Mayer ist Beamter. Ich tigere also von der vierten Etage ins Erdgeschoss. Im Briefkasten ist nichts! Steige wieder in die vierte. Mayer faucht mich an: "Was wollen Sie denn nun schon wieder?" Wieder meine Erklärung  und Mayer sagt: "Woher soll ich wissen, dass Sie berechtigt sind, das Paket in Empfang zu nehmen?" "Sehen Sie doch nach der Anschrift!" "Ich sehe überhaupt nichts an. Geben Sie mir die Benachrichtigung und fertig!" Wütend gehe ich und ruf bei der Deutschen POST an. Die freundliche Beamtin sagt mir, dass der Zusteller ordnungsgemäß gearbeitet hat: "Öffnet der Empfänger nicht, wird anderweitig zugestellt!"

Zwei Tage später lag die Benachrichtigung im Briefkasten. Ich dachte gar nicht daran, mir das Paket in der vierten Etage abzuholen. Der Inhalt war unverderblich und konnte bei Mayer schmoren. Abends klingelte es an der Wohnungstür. Ich ließ mir Zeit. Keiner da. Ich sagte laut: "Welches Rindvieh macht hier Klingelputzen?"
Zwei Minuten später klingelte es wieder. Nach dem zweiten Klingelton öffnete ich die Tür. Mayer. Er sah mich an ohne etwas zu sagen. Ich sagte auch nichts. Schließlich meinte er: "Haben Sie die Benachrichtigung?" Ich nickte und fragte: "Haben Sie das Paket?" "Sehen Sie eins?" "Warum klingeln sie dann?" "Wollen sie das Paket nicht endlich bei mir abholen?" "Nein. Ich verweigere den Empfang"!
Zwei Tages später treffe ich Frau Mayer auf der Straße. Grantig schnauzt sie mich an: "Sie Rotzlöffel. Wie können Sie es wagen, uns so in Ungelegenheiten zu bringen. Telefoniererei und Renner ei für nichts." Zwei Tage später nimmt meine Bekannte ein Paket für Mayer an. Mayer kommt abends mit der Benachrichtigung und will sein Paket abholen. Ich sage: "Tja Herr Mayer, da gibt es ein Problem. Es gibt ja zwei Mayer im Haus. Woher soll ich wissen, dass sie der Richtige sind?" "Reden Sie nicht. Ich habe hier die Benachrichtigung!" "Na und. Wenn der DHL-Mann die nun in den falschen Briefkasten geworfen hat?" "Ich sehe mir das Paket an!" "Das Paket ist schwer. Das trage ich nicht herum!" "Ich kann ja rein kommen." "Ich lasse doch keine fremden Leute in meine Wohnung!" Am nächsten Tag standen drei Männer vor meiner Tür. Die beiden Mayer und ein DHL-Mann. Alle drei sahen sich diskutierend das Paket an, dass der DHL´er schließlich wieder mit nahm. Zwei Tage später klingelte es an der Haustür: "Post. Ein Paket für Mayer. Würden sie es entgegennehmen?" "Welcher Mayer?" "Das ist doch egal!" "Mir nicht. Guten Tag!" Seitdem sprechen die beiden Mayer nicht mehr mit mir. Beide Frauen hatte ich danach zum Kaffeetrinken eingeladen. Sie haben sich meine Wohnung im Detail angesehen und den Weg von der Küche zur Wohnungstür gründlich erforscht. Nun weiß das ganze Viertel, wie meine Wohnung aussieht und wie die Wohnungswege gestaltet sind.
Mitte Januar wünschte ich meinem Nachbarn ein gesundes neues Jahr. Er bedankte sich, wünschte mir das Gleiche und fragte, ob ich im Krankenhaus oder verreist gewesen wäre. Nein. Meinte er: "Ich habe mehrmals bei Ihnen geklingelt. Aber sie waren nie da!" Der Nachbar wartet also noch nicht einmal die zehn Sekunden, wie der Postbote!

Kurt Meran von Meranien 15.01.2017
***

Anneliese (Aus Anneliese erzählt)
Anneliese ist die jüngste Schwester meiner Frau Marianne. Sie ist sehr viel jünger als diese. Sie kann mich nicht leiden. Ich nenne sie immer Liese, was sie bis zur Weißglut reizt. Anneliese hat eine kurvenreiche Figur, ist ein kleines bisschen blöd und hellblond.
Wir hatten uns fast 10 Jahre nicht gesehen, als sie plötzlich bei uns auftauchte und weinend eine unglaubliche Geschichte erzählte.
Besucht hatten wir uns wegen ihrer Figur und ihrer Heirat nicht mehr. Und das kam so.
Anneliese hatte die blöde Gewohnheit, in ihrer Wohnung, auch wenn wir da waren, so gut wie nackt herumzulaufen. Wahrscheinlich dachte sie nicht daran, dass Rudi und ich nicht nur Verwandte, sondern auch und vor allem Männer waren.
Sie war so aufreizend, dass ich in ihrer Gegenwart keinen klaren Gedanken fassen konnte. Auch wenn sie uns besuchte, musste sie immer erst einmal Duschen, und vergaß, sich anschließend richtig anzuziehen. Egal, ob wir in ihrer oder in unserer Wohnung waren, sie war nackt.
Natürlich wurde ich nach den Besuchen dann von Marianne angebellfert, ich hätte Anneliese gierig angestarrt. Also gingen wir nicht mehr hin, und wenn sie zu uns kam, verschwand ich im Hobbyraum.
Als sie heiratete, löste sich das Problem. Für ihren Gatten, einem Banker waren wir nicht salonfähig. Er hatte mich nach meinem Beruf gefragt, und ich hatte Orthopädie-Facharbeiter geantwortet. Marianne hatte er gar nicht gefragt. Frauen hatten Hausfrauen zu sein. Er zog mit Anneliese in ein neugebautes großes Anwesen, mit Pool und allen Schikanen. Anneliese, die sowieso nicht gerne arbeitete, blieb zu Hause und lebte nur noch auf und für Partys. Ihr Gatte scheffelte Geld und stellte Anneliese zur Schau. Uns gab es für sie nicht mehr!
Bis gestern!
Da Anneliese viel freie Zeit hatte, und ihr Gatte selten zu Hause war, kam was kommen musste, sie ging fremd. Außerdem versuchte sie ihr Taschengeld durch Lotterien aufzubessern. Ihr Gatte schenkte ihr zwar viele Kleider und Schmuck, gab ihr aber nur ein sehr mäßiges Taschengeld. Den Haushalt besorgten Hausangestellte, die ihr Gatte mit in die Ehe brachte, und die nur ihm rechenschaftspflichtig waren. Da die Lotterien mehr Geld kosteten als Gewinne brachten, hatte Anneliese bald gehörige Schulden.
Eines Tages kam Ferifredo, ihr Herr Gatte dahinter, dass sie nicht nur persönliche Schulden hatte, sondern ihn auch betrog. Er bezahlte ihre Schulden, löste ihr persönliches Bankkonto auf und reichte die Scheidung ein.
Gerade, als der Scheidungsprozess zum Finale kam, kam der große Gewinn. Was tun? Anneliese zeigte sich gegenüber ihrem Nochehemann äußerst großzügig und schuldbewusst!
Sie wollte vom gemeinsamen Eigentum nur das alte Blockhaus in der Lüneburger Heide. Alles andere sollte ihrem Gatten bleiben. Allerdings wollte sie das Blockhaus, schön gelegen an einem kleinen See in vollkommener Einsamkeit, renovieren. Das dafür erforderliche Geld spendete ihr Ferifredo gern.
Und jetzt kommt der Clou!
Anneliese ließ sich unter einem Vorwand ihren Gewinn bar auszahlen. Sie renovierte das Haus und zog unauffällige Zwischenwände ein. Zwischen den Wänden deponierte sie ihr Geld. Damit sie nicht mit dem Bus in die Stadt fahren musste, schenkte ihr Ferifredo noch einen Kleinwagen. Da Anneliese offiziell kein Geld hatte, trug Ferifredo alle Gerichts- und Anwaltskosten. Anneliese lebte zufrieden in ihrem Blockhaus mit dem Gedanken, das Trennungsjahr ist schnell vorbei, und dann kommt mein Gewinn zum Tragen. Sie ging viel schwimmen, wanderte, machte kleinere Autotouren und saß in lauen Sommernächten am See. Ferifredo und auch seine Freunde bekam sie nicht zu Gesicht. Sie lebte das Jahr vollkommen allein in ihrer Hütte. Nachts hörte sie oft das rascheln von Mäusen, und morgens lauschte sie dem Vogelzwitschern. Völlig eins mit der Natur brauchte sie sich nicht mehr fein anzuziehen. Sie lief im Haus nackt herum und ging gleich so zum See baden, überzeugt, dass in ihre Einsamkeit sowieso niemand kam. Als die Scheidung perfekt war, fuhr sie in die Stadt und feierte ein paar Tage dieses Ereignis. Nach dem Winter, den sie in der Stadt bei einer Freundin verbrachte, kam sie zurück, um ihr Geld einzusammeln und zu überlegen, wie sie es langsam verbrauchen oder anlegen könnte. Eigentlich wusste sie genau wie alles ablaufen sollte.
Aber sie wollte es erst einmal in Ruhe auf einem Haufen sehen. Ausgerüstet mit einem Koffer fuhr sie zum Blockhaus. Hier schien sich nichts Negatives getan zu haben. Alles sah so aus, wie sie das Haus im Spätherbst verlassen hatte.
Sie räumte eine Seite frei, und löste die nur eingehängte Sperrholzwand. Sprachlos sah sie in die entstandene Lücke! Die sorgsam gestapelten Geldbündel lagen zerfetzt am Boden! Rasend wühlte sie in ihnen herum. Riss dann alle Zwischenwände heraus, und fiel in Ohnmacht. Als sie wieder aufwachte, lag sie zwischen umgefallenen Möbeln und Dreck! Die lieben Mäuse hatten ganze Arbeit geleistet! Sie hatten die Geldbündel zum Nestbau und anderem verwendet! Trotz allem Suchen und Sortieren, das Geld war und blieb futsch!

Kurt Meran von Meranien 15.03.2007

Frauen sind keine Engel, sie tun so doch nur zum Schein …

Soweit ich mich erinnere, ist das ein Song aus der Operette „Berliner Luft“!
Und mit BERLINER Luft, einer Berliner Pflanze hatte ich ein knappes halbes Jahr zu tun. Aber nicht nur. Gleichzeitig lernte ich eine andere „Pflanze“ kennen.
Kurzgefasst, es traten zwei Frauen unverhofft in mein Leben. Sie fragten nicht, ob sie das durften. Sie waren einfach da!
Bei der EINEN habe ich lange gerätselt, was sie von mir wollte. Von der Anderen habe ich es nie erfahren!

Beginnen wir mit der Zweiten. Sie tauchte eines Tages in meiner Wohnung auf. Brachte zwei kleine Flaschen Sekt mit und wollte unterhalten sein. Ich trinke keinen Alkohol. Sie trank die Flaschen aus, rauchte dabei und erzählte. Als sie nach einiger Zeit ging, war meine Bude verpestet und die Flaschen waren leer. Als einmal der Inhalt der Flaschen nicht reichte, trank sie allein eine ganze Flasche französischen Rotwein. Da es schon spät war, rief ich eine Taxe und bezahlte diese auch noch. Es ging nicht um Sex, sondern um Unterhaltung. Nach drei Besuchen und einem Spaziergang, meldete sie sich nicht mehr.

Bei der Ersten habe ich ein halbes Jahr gebraucht, um herauszubringen, was sie von mir wollte. Altersmäßig hätte sie meine Enkelin sein können, so wie die Zweite, meine Tochter.
Die Erste wollte nicht flirten, sondern unterhalten werden. Aber nicht sexuell, sondern ich sollte ihr kostenlos als Stadtführer dienen. Ohne Planung. Wohl so gedacht: Anruf und ich hatte bereit zu sein.
Nach und nach erfuhr ich ein paar Details aus ihrem Leben. Sie hatte studiert und wollte sich hier in eine neue Existenz aufbauen. Ich sollte sie mit der Stadt und der Umgebung bekannt machen. Stadtführer!

Ich kenne zwar meine Stadt, aber …
Mitte der siebziger Jahre zog ich fort und kehrte erst nach dem Millennium zurück.
Nachdem ich wieder in meine Stadt gekommen war, es hatte sich viel geändert, erkannte ich sie kaum wieder und in manchen Stadtteilen bin ich noch nie wieder gewesen!
Dass war der jungen Frau völlig egal! Sie wollte die Stadt kennenlernen und ich hatte zu funktionieren.
Ein Gutes muss ich anerkennen: Sie riss mich aus meinem täglichen Trott! Aber: Ich durfte keine Fragen stellen, sondern hatte auf „ZURUF“ zu funktionieren!

Natürlich stellte ich doch Fragen. Auf Zuruf funktionieren, klappte nicht. Schließlich muss man sich ja auch vorbereiten können. Und sie stellte ständig Fragen!
Bei Fragen zu den einzelnen Stadtteilen, hatte ich die Vermutung, dass sie die Stadt besser kannte, als sie zugab!
Das erste Treffen war schiefgegangen. Sie konnte den Termin nicht halten und ich stand vergeblich am von ihr festgelegten Treffpunkt! Ich hatte (verbotenerweise) gefragt, wie ich sie erkennen würde. Sie meinte, ich erkenne Dich! Woher wollte sie mich kennen? Getroffen hatten wir uns noch nie. Diese Frage wurde nie beantwortet, so wie fast alle meine Fragen offenblieben!

Später, später ist relativ, denn der ganze Zauber dauerte nur ein knappes halbes Jahr, verabredeten wir uns öfter und trafen uns auch manchmal.
Schließlich wurde ihr meine Fragerei zu bunt und …

„Ich mag Dich! Aber Du stellst zu viele Fragen und willst zu viel zu früh auf einmal!“
Was wollte ich wohl mit fast achtzig zu früh und zu zeitig von einer Frau, die meine Enkelin hätte sein können?
Ich weiß es nicht …

Kurt Meran 16.11.2019
***

Kreuzfahrt
Februar, was für ein schönes Winterwetter. Es ist richtig kalt. Und alles weiß.
In diesem Jahr wird es wenig Ungeziefer geben. Ich stand im Garten und malte mir den Gartensommer aus. Keine Mücken. Es würde bestimmt sehr schön werden.
Allerdings. Wenn Marianne wieder auf verrückte Ideen kommt, wird natürlich alles wieder unschön werden. So wie im vorigen Jahr. Aber bis zum Sommer war ja noch viel Zeit.
Als ich so recht in Gedanken versunken war, kam es mir so vor, als wenn ich Mariannes und Hildes Stimmen gehört hätte. Das hätte mir noch gefehlt, dass die Beiden hier aufkreuzten.
Ich ging langsam nach Hause. Als ich die Wohnungstür aufgeschlossen hatte, hörte ich tatsächlich Marianne und Hilde im Schlafzimmer sprechen. Au weia. Die Beiden probierten im Schlafzimmer Sommerkleider an!
„Seid ihr denn verrückt, jetzt schon Sommersachen?"
„Was willst Du? Haben wir heute gekauft!" „Wer kauft im Februar Sommersachen? Wer weiß was in einem halben Jahr Mode ist!" „Wir brauchen die Sachen diese Woche!" Ich sah beide an. Waren die Weiber betrunken oder verrückt? „Diese Woche?" „Ja, wir machen eine Kreuzfahrt ins Mittelmeer, und dort ist es ja warm!" „Wer macht eine Kreuzfahrt?" „Na wir alle!" „Marianne kläre mich bitte auf, ich verstehe gar nichts!“ „Kurt, du verstehst ja nie etwas! Meine Schwester hat im Lotto gewonnen und spendiert uns eine Kreuzfahrt!“ „Jetzt! Im Mittelmeer!“ „Ja, wir fahren morgen Abend los!“ Ich setzte mich auf das Bett. „Ihr seid ja Beide verrückt.“ Hilde fing an zu keifen. „Nicht wir, du bist verrückt! Anstatt dich zu freuen, meckerst du nur rum. Marianne, vergiss nicht, mir die 2000 € zu geben. Am besten ist, du gibst sie mir jetzt gleich.“ Marianne drehte sich mir zu. „Kurt gib mir bitte 2000,- €.“ „Wo soll ich denn jetzt so viel Geld hernehmen, und wozu?“ „Hilde spendiert uns die Kreuzfahrt, wir müssen sie aber erst einmal selbst bezahlen. Hilde gibt mir dann das Geld zurück.“ „Und wann?“ „Na wenn sie ihren Gewinn kassiert hat, ist doch klar!“ „Moment mal. Hilde organisiert eine Kreuzfahrt auf unsere Kosten?“ „Neeeeiiiin! Wir bekommen das Geld ja wieder!“ „Wie kann deine dusslige Schwester eine Schiffsreise organisieren, spendieren, buchen oder was weiß ich, wenn sie gar kein Geld hat?“ „Kurt, du gibst mir jetzt das Geld und basta!“
Hilde war plötzlich verschwunden. Wie immer. Wenn’s brenzlich wurde gab sie Fersengeld. Ich setzte Marianne auseinander, dass sie für diese Fahrt keinen Cent sehen würde. Wenn sie Geld brauche, solle sie es sich von ihrem Konto nehmen.
Marianne hatte ein Wirtschaftsgeldkonto. Was ich für die Haushaltsführung beisteuerte ging als fester Überweisungsbetrag auf dieses Konto. Marianne gab schließlich nach. Drohte mir aber langfristige Sanktionen an. Ich nahm es mit Gelassenheit. Am nächsten Tag marschierte ich zu meiner Bank und hob 2000,-€ ab. Für alle Fälle! Als ich nach Hause kam, war Marianne feste beim Packen. Alles Sommersachen. Da streiten keinen Zweck hatte, lies ich sie ihre Sommersachen einpacken. Ich packte meinen Koffer selbst. Ich nahm nur winddichte und wärmende Sachen für draußen, und einen Anzug mit. Marianne wollte sich totlachen. Hu hu, fährt ans Mittelmeer, und nimmt Herbstsachen mit.
Nachmittags erfuhr ich, dass wir um 22 Uhr ab Goethestraße mit dem Bus bis Nizza fahren würden. Ich rief Rudi an, und gab ihm den Auftrag, uns Plätze in der letzten Reihe zu reservieren, damit ich in der Mitte sitzend meine Beine ausstrecken könne. „Und was machst du?!“ „Ich lade das Gepäck mit ein.“ Marianne bestellte für 20 Uhr eine Taxe. „Was soll die um 20 Uhr?“ „Wir fahren erst nach Taucha und holen Hilde und Rudi ab.“ „Spielt sich nichts ab! Wir fahren mit der 1 zum Bahnhof. Die können auch die Straßenbahn nehmen.“ „Die Taxe ist schon bestellt, basta!“ „Fahr du doch mit der Taxe,
ich nehme die Straßenbahn. Punktum!“
Als ich gegen 21,45 Uhr zur Bushaltestelle Goethestraße schlenderte, sah ich, wie sich Hilde, Rudi und Marianne mit dem Taxifahrer stritten. Ich ging auf die andere Straßenseite und wartete in der Nebenstraße bis der Bus gegen 22,30 Uhr einrollte.
Die drei empfingen mich mit starren Gesichtern. Ohne ein Wort mit mir zu wechseln stiegen sie ein. Ich half dem Busfahrer beim Koffereinladen.
Als ich in den Bus kam, wo saß die Bagage? Auf ganz normalen Sitzen in der Mitte des Busses! Ehe ich was sagen konnte meinte Rudi: „Kurt sei glücklich, wir beide sitzen zusammen.“ „Rudi! Du solltest doch .........!“ „Kurt das ging nicht. Hilde meinte hier ist es bequemer!“ „Und wie soll ich schlafen?“ „Na du stellst deine Lehne schräg. Müsstest du doch wissen!“ „Rudi, du bist ein Rindvieh! Wie bekomme ich meine langen Beine unter den Sitz meines Vordermannes? Du heißt ab sofort nicht mehr Rudi, sondern Rindy!“
„Was soll denn das heißen?“ „Rudi RINDVIEH!“
Nach zwei Stunden gab es an einer Raststätte die erste Pause. Marianne bat mich um 50,-€. „Wozu brauchst du 50 €?“ „Ich will mir was kaufen, frag nicht so dumm!“ „Marianne es tut mir leid, ich habe kein Geld mit dabei.“ „Was?“ „Was willst du, wir sind doch eingeladen!“ „Aber eigene Sachen müssen wir doch selber bezahlen!“ „Na, da bezahle doch. Ich habe kein Geld.“ „Kurt, gib mir mal deine EC-Karte.“ „Habe ich zu Hause.“
„Dann die Kreditkarte.“ „Habe ich auch zu Hause.“ Marianne schüttelte den Kopf.
„Was soll denn das. Da haben wir ja keinen Pfennig Geld für Unterwegs.“ „Bin ich die Hausfrau oder du?“ Prima. Jetzt habe ich Ruhe. Ohne Geld bin ich uninteressant!
Rudi hatte sprachlos zugehört. „Was du hast kein Geld mit?“ „Nee, wozu? Wir sind doch eingeladen!“ „Aber wir haben doch auch kein Geld dabei.“ „Rudi, nun sag bloß einmal was hier gespielt wird. Ich denke ihr seid Millionäre?“ In dem Moment bekamen wir die Order von Hilde sofort einzusteigen. Rudi und ich wurden auseinandergesetzt. Ich musste mich neben Hilde setzen! Bis Nizza sagte ich kein Wort mehr.
Nach 14 Stunden Busfahrt, ich war vollkommen erschossen, jeder Knochen tat mir weh, kamen wir in Nizza an. Dort erfuhren wir im Hafen, dass das Einschiffen erst um 17 Uhr beginnen sollte. Wir luden unsere mit Banderolen markierte Koffer aus und stellten sie an einen markierten Platz. Ich war froh, warme Sachen anzuhaben. Es war kalt und regnete. Bis 17 Uhr vertrieb ich mir alleine die Zeit in einer Kneipe mit Essen. Als wir uns einschifften, musste ich mit Grausen feststellen, dass Hilde eine 4- Bett - Innenkabine gebucht hatte. Die Glühbirne brannte nur matt, und die Lüftung röchelte vor sich hin. Marianne und Hilde belegten die unteren Betten, wir die oberen. Dann kam der Befehl, nachdem wir unsere Koffer ausgepackt hatten, Männer raus!
Was macht man, wenn man kein Geld dabeihat? Dass ich 2000,-€ einstecken hatte, brauchte ja Rindi nicht zu wissen! Er durfte es nicht wissen. Denn wie ich die Tränendrüse kannte, wäre er sofort zu Hilde gerannt und hätte gepetzt. Also gingen wir an Deck. Das Restaurant hatte noch nicht geöffnet. So setzten wir uns auf das Seitendeck. Rindi fror und fing an zu zittern. „Wieso zitterst du denn? Hilde hat doch gesagt im Mittelmeer ist Sommer. Da zittert man nicht. Los erzähle jetzt, was mit dem Lottogewinn ist.“ Im selben Moment tauchten die Weiber auf. Sie sahen aus wie Matroschkas. „Wie seht ihr denn aus?“ Marianne ging sofort zur Offensive über. „Quatsche hier nicht dumm rum, besorge was Heißes zu trinken! Wir frieren.“ „Wie kann man bloß mitten im Sommer frieren? Rindi zittert, ihr friert, was ist bloß los mit euch?“ „Wer ist Rindi?“ „Rudi Rindvieh!“ „Wieso?“ „Frag ihn!“„Marianne gib mir Geld, dann hole ich etwas.“ „Wenn ich Geld hätte, würde ich dich nicht bitten, sondern es selbst besorgen.“ „Also jetzt habe ich es satt!!!  Waaas ist mit dem Lottogewinn? Und wieso habt ihr kein Geld dabei? Hilde! Antworte!“
Hilde guckte hilfesuchend zu Rindi. Der zuckte nur mit den Schultern. „Also,“ begann Hilde, „ich habe am Montagfrüh die Nachrichten gehört. Als die Lottozahlen kamen, habe ich gemerkt, dass wir 5 oder 6 Richtige haben. Ich habe dann den Quittungsschein gesucht, aber nicht gleich gefunden. Trotzdem habe ich in unserem Reisebüro nach einer günstigen Urlaubsreise gefragt. Da haben sie mir eine Dingsminutekreuzfahrt angeboten. Ich habe sofort zugegriffen, da es sehr günstige Preise waren. Dann habe ich mit Marianne einen Stadtbummel gemacht. Aber das weist du ja.“ „Gut, und was ist mit dem Geld?“ „Nun ja, etwas hatte ich ja noch und Marianne hat mir dann auch noch was gegeben, so dass ich die Kreuzfahrt anzahlen konnte. Für den Rest habe ich einen Abzahlungsvertrag abgeschlossen. Ich hatte ja gedacht, du Kurt legst das Geld erst einmal aus.“ „Und was hat das alles mit dem Lottogewinn zu tun?“ „Als ich Gestern Nachmittag mit dem Schein bei meiner Annahmestelle gewesen bin, hat die Frau nur gelacht und ihren Mann geholt. Beide haben getuschelt, und mir dann gesagt, der Schein ist vom vorigen Jahr und lange verfallen. Rudi ist damals zur Kur gewesen, und ich habe die Zahlen nicht verglichen.“
Wir waren sprachlos! Rindi sah aus wie ein gehängter, Marianne schnappte nach Luft. Wie ich aussah wusste ich nicht, aber es flimmerte mir vor den Augen. Endlich bekam Marianne wieder Luft und legte los. Ich hätte nie gedacht, dass meine Gattin solche ordinären Ausdrücke kannte, und sie auch noch gebrauchte. Nun saßen wir auf dem Kahn, der inzwischen abgelegt hatte. Und nun?
Hilde hatte einen Weinkrampf, Rudi kotzte über die Reling und ich lachte mich tot.
Vor uns lag eine schöne trockene Woche. Ich dachte gar nicht daran, meine Geldreserven aufzudecken, denn dann hätten alle bloß wieder gemeckert. Ich lotste die drei in die Kabine und ging etwas zu trinken besorgen. Beim Einchecken hatte ich mitbekommen, dass das Bordpersonal Russen waren. Und wo Russen sind, ist Wodka. Ich suchte den Zahlmeister auf und verständigte mich mit ihm. Als ich in die Kabine kam, hatte ich drei große Flaschen Wodka für die Unglücksraben. Ich hatte seit Jahresbeginn keinen Alkohol mehr getrunken, und wollte jetzt nicht damit anfangen, obwohl mir eigentlich danach war.
Als sich um 19,30 Uhr die Türen fürs Diner öffneten, ging ich essen. Die anderen lagen in den Kojen.
In der Nacht besuchte ich das Casino. Eigentlich war ja noch nicht geöffnet wie mir der Spielbankchef gestand, aber ich könne ja mein Glück mal versuchen, und das Geld dalassen. Ich setzte nur zweimal. Das erste Mal auf Transversale zu drei Nummern 1000,- € und gewann 11000,-€. Diese setzte ich auf Zero und hatte 385.000, -€! Der Spielbankchef fluchte wie verrückt. Gab mir aber dann einen Scheck über 384.000, -€! 1000,-€ gab ich dem Personal als Trinkgeld.
Die Kreuzfahrt wurde noch wunderschön, auch ohne Geld, und ohne Landausflüge, denn den Gewinn offerierte ich erst ein viertel Jahr nach der Kreuzfahrt. Hilde musste ja erst ihre Strafe, den Ratenvertrag, abbüßen.
Übrigens wollte sie dann tatsächlich die Hälfte meines Gewinnes haben, als Ausgleich für den ihr entgangenen Lottogewinn vom vorigen Jahr. Begründung, hätte sie diese Kreuzfahrt nicht organisiert, hätte ich nicht spielen und gewinnen können. Erst viel später wurde ich gefragt, wo ich denn den Einsatz hergehabt hätte. Ganz einfach, habe ich gesagt. Die Russen haben mir 1000 € vorgestreckt, und die habe ich dann zurückgezahlt.

Die Kreuzfahrt war in Piombino zu Ende.
Von dort ging es mit dem Bus nach Hause, mit je einer Übernachtung in Pisa und am Gardasee. Pisa war eine Enttäuschung. Der schiefe Turm und die Kathedrale stehen sinnlos im Gelände und auf dem Weg dorthin steht eine Andenkenbude neben der anderen. Wir wollten in einem Ristorante etwas essen. Dabei merkten wir, dass ein Deutscher in Italien nicht viel wert ist. Wir mussten sehr lange warten, bis ein Kellner kam, lange warten bis serviert wurde, und noch länger warten bis die Rechnung kam.
Auf der Rechnung standen unverständliche Summen. Der Kellner blökte service-service und klopfte dauernd auf den Stuhl. Aha, wir mussten den Stuhl mit bezahlen!

Ich ging mit der Rechnung zum Wirt und feilschte mit ihm um den Preis. Schließlich einigten wir uns. Anstatt 31,- € musste ich nur 14,-€ bezahlen. Als ich ging nahm ich den Stuhl mit. Ich hatte ihn -service- ja bezahlt. Das Personal rannte mir bis auf die Straße nach. Ich gab ihn aber erst zurück, als mir der Wirt ein riesengroßes Glas Rotwein als Lösegeld bot. Wegen dem blöden Stuhl musste ich Alkohol trinken. Entsetzlich! Die ganze Zeit hatten Marianne, Hilde und Rudi so getan, als würden sie mich nicht kennen.
Das Hotelzimmer war kalt, vorm Fenster brannte die ganze Nacht eine Lampe, und der Klositz war unbequem. Ein einklappbares Bidet, das im aufgeklappten Zustand nicht hielt, und beim Sitzen in den Rücken kniff.
Gardasee klingt ja gut. Aber wenn man abends nach 20 Uhr im dunklen ankommt, und morgens um 9 Uhr wieder wegfährt, hat man nichts davon.
Hier gab es noch ein kleines Problem. Hilde hatte die falschen Koffer. Und Rudi war zu feige, nach den richtigen zu sehen. Wir hatten unsere Koffer, also ging uns das nichts an. Hilde fragte dann alle anderen Urlauber unseres Busses nach ihren Koffern.
Zwei andere Paare hatten die gleichen Koffer. Also fand erst ein Ringtausch mit lauten unanständigen Kommentaren statt. Meine Koffer hatte ich auffallend farbig markiert, so dass sie nicht verwechselt werden konnten.

Zu Hause ist jetzt alles wieder im Lot. Marianne hat die angedrohten Sanktionen ausgesetzt. Ich habe ihr klargemacht, dass ich meinen Spielbankgewinn für mich behalte, wenn sie nicht artig ist.
Hilde und Rudi meldeten Hilfe im Garten an.
Sie hoffen immer noch, etwas vom Gewinn abzubekommen.
Vor größeren Einkaufstouren tagt jetzt immer der Familienrat. Hilde hat zwar Sitz, aber keine Stimme, bevor sie die Raten im Reisebüro nicht abbezahlt hat. Solange wird ihre Familie durch Rindi vertreten. Der dann auch den Einkaufsetat verwalten muss.
Ein tolles Bild, wenn Hilde bei Rindi bitte, bitte macht.

Kurt Meran 23.01.2012
***

Lektion eins
zur Handhabung des neuen Datenschutzgesetzes:

Nach Beendigung einer Vereinsversammlung hielt der Kassierer wieder einmal die Hand auf. SPENDEN!
Nach einigem Zögern, ich halte nichts davon, erst einmal auf der Spendenliste nachzusehen, was andere rausgerückt hatten, drückte ich dem Kassierer einen Geldschein in die Hand. Er betete irgendeinen Spruch vor sich hin. Dann trug er in die Spendenliste den gespendeten Betrag ein und unterschrieb!

Einigermaßen erstaunt fragte ich: „Wieso schreibst Du Deinen Namen hin und nicht meinen?“ Unwirsch antwortete er: „Ich habe doch gerade erklärt warum! Hör besser zu oder wasch Dir die Ohren. Also noch einmal: Dein Name ist geschützt, denn er wird nicht genannt!“
Nach einer Pause ergänzte er: „Du kannst diesen Betrag in Deine Steuererklärung eintragen. Für Spenden unter fünfzig Euro gibts es aber keinen Nachweis mehr!“

Die Kehrseite der Medaille: Früher machte sich der Vorstand die Arbeit, für Spenden ab zehn Euro ein Dankschreiben zu übergeben. Das fällt nun weg, denn er weis ja meinen geschützten Namen nicht.

Und mein Portmonee steht unter meinem Schutz und bleibt in Zukunft zu!
KM 2018
***

*

*

  - Alle Fremdangaben / Texte seitens des L-Schoenefelder-Almanach ohne Gewähr -

Beiträge : Georg Hans Schlitte / Kurt Meran von Meranien

Cookie-Regelung

Diese Website verwendet Cookies, zum Speichern von Informationen auf Ihrem Computer.

Stimmen Sie dem zu?